1965 – 2015 Galerie Buchholz
50 Jahre Galerie / Werkraum Godula Buchholz,
Rede von Dr. Michaela Haibl anlässlich der Eröffnung des ArtSpace am
11. Oktober 2015, München-Sendling, Luitpoldgelände
Als Godula Buchholz in diesem Sommer fragte, ob ich für die Eröffnung des neuen Werkraums in München einleitende Worte sprechen würde, habe ich mich sehr gefreut. Ich begriff es als Ehre, die auszuschlagen auf gar keinen Fall in Frage kam. Noch war mir nicht klar, dass es damit auch um Ihr 50 jähriges Galerie-Jubiläum ging. Und mir war nur vage gegenwärtig, dass ich nichts wusste außer ein wenig über Ihre Zeit, als sie die internationale Kunstwelt, nach Denklingen, verlegt hatte, den Nachbarort. Auch dort, in diesem Dorf westlich des Lechs zwischen Landsberg und Schongau wusste kaum jemand, wer da wirklich Unter der Halde 1 und dann am Schwarzenbach 9 lebte und arbeitete.
Die wenigen Male, die ich Ausstellungen im Werkraum Buchholz besuchte, war ich davon fasziniert, aktuelle internationale Kunst zu sehen. Rückblickend war es ein Paralleluniversum, von dem ich wenig verstand. Zwar hatte ich Kunstgeschichte studiert, mich aber dann den populären Kulturen und Alltagen gewidmet. Den aktuellen Kunstbetrieb kannte ich allenfalls durch Künstlerfreunde und Bekannte, deren Werke ich mit Worten versuchte, denen zugänglicher zu machen, die Interesse daran zeigten.
Viele Jahre später, jetzt, Ende August an einem sehr warmen Samstag, besuchte ich Frau Buchholz in Denklingen. Sie war mitten im Umzug und wir besprachen den heutigen Tag. Sie wünschte sich, dass ich kurz spreche, dass ich etwas über die Galerie, die vertretenen Künstler sage. Ganz kurz nur. Nicht viel länger als zehn Minuten.
Und ich sagte, aber ja, wichtiges, ließe sich auch in fünf Minuten sagen. Es bedürfe nur der Konzentration. Ein leichtfertiger Irrtum.
Godula Buchholz erzählte von Ihrer Galerie, gab mir einen Stapel Künstlerpublikationen und Kataloge. Und mir wurde minütlich klarer, wer da neben mir saß und mir später mit freundlicher Selbstverständlichkeit Wasser, Heidelbeeren und Schlagrahm mit Vanille anbot.
Bevor Godula Buchholz 1965 die Galerie Buchholz in München in der Maximilianstraße 29 eröffnete, hatte sie 10 Jahre in Bogota bei ihrem Vater Buch- und Kunsthandel „gelernt“. Sie war mit Kunst und Büchern groß geworden, war bestens ausgebildet und hatte längst Ausstellungen in der Galeria Buchholz in Bogotà kuratiert und Kontakt zu wichtigen Künstlern in Lateinamerika. Ihr Vater war einer der Kunsthändler zeitgenössischer Kunst in den 1930er und 1940er Jahren, wo sein Agieren mit den Kunstvorstellungen der Nationalsozialisten kollidierte.
Seine Tochter schließlich reiste 1963 mit einer von ihr zusammengestellten Wanderausstellung mit Arbeiten zur „Südamerikanischen Malerei der Gegenwart“ nach Deutschland und arbeitete an der Staatliche Kunsthalle Baden-Baden.
Als sie 1965 nach München kam, kannte sie weder Stadt noch Kunstszene, war sich aber sicher, eine Galerie eröffnen zu müssen, und es war klar, dass sie Malerei aus Südamerika präsentieren wollte. Kunst, die damals in München keiner kannte.
Zu Eröffnung – so erzählte sie mir lächelnd – wurde „Weißherbst aus Baden“ gereicht. Und es war der Beginn einer fruchtbaren Zeit, in der sie in Zusammenarbeit mit den Münchner Museen und Sammlungen Kunst aus Südamerika, Spanien und Portugal positionierte.
Bereits in der ersten Ausstellung stellte sie Fernando Botero aus. Und sie zeigte die Werke Eduardo Chillidas erstmals in Deutschland – 1966.
Ich breche hier das Namen-Nennen erst einmal ab. Sie können das nachlesen. Alles auf der Homepage – und – Sie alle wissen ja um Godula Buchholz. Es erscheint mir unangemessen, Ihnen, die Sie da sind, weil sie Godula schätzen und kennen und aus allen Richtungen Ihres internationalen Netzwerks kommen, die Geschichte einer Ihnen gegenwärtigen Galeristin zu erzählen.
Dennoch: Godula Buchholz ist eine Grand-Dame der internationalen Galerie-Szene. Sie eröffnet mit dreißig Jahren eine eigene Galerie, die rasch an Bedeutung gewinnt. Sie ist 1968 die erste – und einzige Frau an einer der wichtigsten Kunstmesse damals, dem Kunstmarkt in Köln.
Godula Buchholz
Anzeige Kunstmarkt Köln 1968
Galerie Godula Buchholz, Maximilianstraße, München. Links: Godula Buchholz mit Fernando Botero. Im Hintergrund die Galeristin porträtiert von Botero; Mitte: Skulptur von Eduardo Chillida; rechts: Godula Buchholz und Klaus Liebig, links im Bild eine Skulptur von Edgar Negret, im Hintergrund ein Bild von Fernando Botero.
Blick in die Ausstellung "Erró – Ölbilder" 1973, Galerie Godula Buchholz in München
Klaus Liebig und Godula Buchholz
Exkurs: http://www.berufslexikon.at/beruf2358_1-KunsthaendlerIn-GaleristIn: „KunsthändlerInnen und GaleristInnen üben wesentliche Funktionen im Kunstbetrieb aus, da der überwiegende Anteil des Verkaufs künstlerischer Produkte über Kunsthandlungen und Galerien abgewickelt wird … Sie entscheiden darüber, welche Kunstwerke ausgestellt und damit der Öffentlichkeit – und so potenziellen Käufern und KundeInnen – zugänglich gemacht werden. Daher sind sie zentrale Akteure am Kunstmarkt. Sie setzen den Wert der Kunstgegenstände fest … Darüber hinaus stellen sie auch die für KünstlerInnen notwendigen Kontakte her.
Anforderungen: Sehr gute Allgemeinbildung, künstlerische und wirtschaftliche Kenntnisse, Bereitschaft zur Weiterbildung, gutes sprachliches Ausdrucksvermögen, gute Fremdsprachenkenntnisse, Präsentationskenntnisse, soziale Kompetenzen, gutes Auftreten, Kontaktfreude, Beratungs- und Verhandlungskompetenz, Verkaufstalent, Organisationstalent, Bereitschaft zu unregelmäßigen Arbeitszeiten, Belastbarkeit, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Bereitschaft zur Mobilität; z. T. auch interkulturelle Kompetenz.“ Wir können davon ausgehen, dass all das auf Godula Buchholz zutrifft. Aber es ist nicht der Garant für ein erfolgreiches und – sehen wir uns diese vor Energie leuchtende Frau an – ein ganz offensichtlich erfüllendes Galeristinnenleben.
Im Blick auf 50 Jahre Galeristinnentätigkeit kommen mir andere Fähigkeiten und Qualitäten in den Sinn: Mut – Neugier – Risiko – Offenheit – Uneitelkeit - Konzentriertheit
Mut: Intuitiv habe ich es an die erste Stelle geschrieben. Es fiel mir ein, als ich die Werke von Gianfranco Baruchello, Klaus Liebig und Gudmundur Errò auf der Einladung für den heutigen Tag sah. Mutig war es, auf diese damals völlig unbekannten Künstler zu setzen (1970), sie durch die Jahrzehnte zu vertreten, zu begleiten, zu verknüpfen. Und mutig ist es, an ihnen festzuhalten, sie als schöpferischen Nucleus immer wieder zu befragen – vor dem Hintergrund der Gegenwart. Durch ein halbes Jahrhundert Galeristinnenleben ziehen sich Bildwerke, die in hohem Maße narrativ sind, die Bildergeschichten erzählen, und in deren Mittelpunkt stets Menschen stehen.
Neugier: Die Ideenwelten der Künstler seien es, die sie immer interessiert hätten, das „Geistige“, betont Godula Buchholz. Eine unbändige Neugier auf das, was in den Werken ist. Sicher auch so begegnete sie Klaus Liebig, dem Künstler, ihrem späteren Mann. Der sie sicherlich auch wegen seiner Verbindung von philosophischer Schau, Emotion und visualisierter Erzählkraft faszinierte. Es ist die Vielfältigkeit, die Komplexität in verschiedensten Aspekten, die wichtig sind. Am wichtigsten vielleicht in ihrem kuratorischen Schaffen. Mit Klaus Liebig hat sie – wie aber auch mit jedem anderen Ihrer Künstler – sehen gelernt. Die Symbole und Zeichen in den Bildern und ihre Bedeutung. Es geht ihr um die Gedankenwelten.
Gianfranco Baruchello und Klaus Liebig in Baruchellos Atelier
Risiko: Sie sagt. „Ich schau mir eine Ausstellung an, geh so durch, bleibe vor einem Bild stehen, das sehe ich an. Dann kommen die Assoziationen. So findet sie die Kunst, die sie kauft, die sie vertritt und vermittelt. Nach dem Erwerb einer ersten Arbeit, hängt diese an der Wand, oder stellt sie in den Raum. Es beginnt eine visuelle und gedankliche Beschäftigung. Es kann Jahre dauern, bis es zu einer Ausstellung kommt. Manchmal geschieht es sofort. Doch – so Frau Buchholz: Es ist immer ein Risiko. So war es auch bei Ihren jüngeren Entdeckungen Abigail Lazkoz (aus Bilbao 2010) und Tuguldur Yondonjamts (2011).
Offenheit: Die Offenheit, mit der Godula Buchholz berichtet und erzählt gehört sicher auch zum Erfolgsrezept: Galeristen sind häufig passionierte Sammler. Sie finden die Kunst, sie präsentieren und vertreten sie und zum Geschäft gehört das Verkaufen. Danach gefragt Godula Buchholz: „ja eigentlich will man immer alles behalten“. Dennoch hat sie stets loslassen können, was sie als eine Ihrer Stärken sieht – manchmal auch zu früh, etwa die Werke Boteros.
Die Ausstellungsräume der Galerie Buchholz in Pullach.
Godula Buchholz 2004 in Kyoto, Japan
Uneitelkeit: München 1965-1975 – Pullach 1975-1988 – Denklingen 1988-2015 – München. Das sind die Stationen der Galerie Buchholz.
Dass es wieder München geworden ist, obwohl Godula Buchholz eigentlich an Berlin gedacht hat, ist – diversen Zufällen zu danken. Und einer ereignete sich auf einer kleinen Ausstellung in Leeder bei Wolfram Ruoff, wo wir uns trafen. – Und so wird München wieder zur Heimat der Buchholz-Galerie, des Werkraums – und auch der Sammlung. Diesmal nicht in der Maximilianstraße. – Denn dort findet die zeitgenössische Kunst sowieso nicht mehr statt. Die sucht sich andere Orte, vermischt sich mit Gründern, Kunst- und Kulturschaffenden, wie hier – auf dem Luitpoldgelände in Sendling. Hier findet sich neuer „Stoff“ für die sensibel und intensiv wahrnehmende Galeristin.
Ob es um den Umzug von München nach Pullach ging, jenen von Pullach nach Denklingen, oder diesen aktuellen von Denklingen nach München-Sendling. Godula Buchholz folgt ihre Maxime des sich Anpassens an die Zeit. Diese Anpassung fordert Veränderung. Diese geschieht – uneitel.
Konzentriertheit: Das letzte halbe Jahr wurde geordnet, systematisiert, aussortiert, logistisch geplant, sorgfältig gepackt und schließlich umgezogen. Damit sind allein die funktionalen Tätigkeiten genannt. Das Geistige, die Gedankenarbeit steht dahinter. Eine große Konzentriertheit. Auch das ist eine Eigenschaft Godula Buchholz’. Vielleicht eine der wichtigsten. Diese Konzentriertheit erlaubt Verknüpfungen, sie ermöglicht erst den Prozeß vom Sehen zur Wahrnehmung, vom Wahrnehmen zum Begreifen.
Ausblick: „Wenn ich frage, entsteht eine Diskussion“. Aus der Neugier, dem steten Movens der Galeristin, formuliert sich Interesse. Es kommt zur Unterhaltung. Aus der Unterhaltung wachsen die Inhalte, und dann geht die Beschäftigung mit dem Erfahrenen weiter. Das fließt in Stetigkeit als Kontinuum. Davon allein erzählt schon die Zahl der 50 Jahre. Und die Sammlung, die es hierzu entdecken gibt.
Godula Buchholz ist eine Entdeckerin. Und Ihre Berufung ist das Entdecken. Sie schielt nicht nach Moden und dem Kunstmarkt, sie vertritt die Kunst, die sie berührt. Die Kunst die sie findet, ermöglicht eine Neue Sicht auf die Welt.
Und nun wünsche ich, dass hier die neuen Sichten auf die Welt sich finden – an diesem Ort, mit diesem beeindruckenden Leben und dem sammlerischen Werk von Godula Buchholz.
(Es gilt das gesprochene Wort. Michaela Haibl)
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